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Im Wald des Grauens und ein gebrochenes Versprechen - Schweden Teil 3

  • Nadine
  • 27. Aug. 2019
  • 5 Min. Lesezeit

Unterwegs machen wir einen kurzen Kaffee-Stopp an einem der skurrilsten Kaffee-Stände, den wir bisher gesehen haben. Viola's Cafévagn ist ein umfunktionierter alter Wohnwagen, ganz in pink und mit meiner rosa Regenjacke passe ich doch ganz hübsch dazu. Bedient werden wir von einem kleinen Jungen, der professionell das Familienunternehmen in den Sommerferien leitet. Dazu bestellen wir überzuckerten Schoko- und Apfelkuchen (Die Schweden scheinen ihr Süssgebäck zu lieben und haben das Backen echt im Griff), den wir unter einem pinken Sonnenschirm an einem kleinen Tischli verschlingen. Definitiv einen Zwischenstopp wert!

An unserem Treffpunkt, ein uralten Häuschens am Ende eines Steges, mitten auf dem See, treffen wir unsere Reisebegleitung wieder an.

Wir folgen ihnen durch den Wald bis wir schliesslich eine "Einfahrt" in den Wald entdecken. Nach kurzer Begehung beschliessen wir, die prekäre Strecke (Trotz Schlamm und nassem Sand) zu wagen. Armer Hektor, er muss ganz schön kämpfen und ich habe ein kurzes Flashback inklusive Schweissausbruch und Adrenalinschub als die Räder im Sand durchdrehen und unsere Inneneinrichtung durchgeschüttelt wird, schliesslich schaffen wir es aber sogar ohne Hilfe vom Defi an den kleinen Strand. Ganz alleine sind wir hier nicht, jemand hat den Milliarden von kleinen Mücken wohl verraten, dass ich komme und noch bevor ich mich mit Antibrumm einbalsamieren kann, bin ich bereits von oben bis unten verstochen. Interessanterweise scheinen sich die Mücken mit den Fliegen abgesprochen zu haben und während die Mücken sich bei mir ihre Mahlzeit holen, durchsuchen alle Fliegen des ganzen Strandes Hektor nach Leckereien. En Guete mitenand.

Trotz des Insektenchaos, das drinnen und draussen herrscht sind wir froh, diesen traumhaften Ort gefunden zu haben, einsam am Strand mit Ausblick auf den See, eine kleine Insel und sogar ein überdachtes Holztischli sind hier vorhanden.

Unseren Dessert pflücken wir wieder selbst und während wir den Wald nach Beeren absuchen stoplere ich auf einmal über einen riesigen Oberschenkelknochen, vermutlich von einem Elch. Je genauer ich hinschaue desto unheimlicher wird mir die ganze Sache, überall liegen Knochenstücke verstreut, von Unterkiefern über kleinere Stücke, bis ich schliesslich einen riesigen Elchschädel mitten im Unterholz entdecke.

Die Art, wie die Knochen im Gelände verteilt und abgenagt sind lassen bloss auf Wildtiere wie Wölfe oder Bären schliessen, welche anderen Tiere könnten sonst so einen riesigen Elch erlegen? Jäger hätten doch bestimmt zumindest den Schädel als Trophäe behalten? Jedenfalls habe ich für heute genug vom Spaziergang im Wald des Grauens, denn so sehr ich alle Tiere liebe, ich möchte weder Wölfen noch Bären in ihrem Territorium begegnen. Am Strand geht sowiso schon bald die Sonne unter. Wir braten in unserer Slowakischen Speckzange für alle ein Spiegelei auf Toast und beobachten schliesslich, wie die Sonne im Meer versinkt. Ich glaube ich spreche für alle Mitreisenden, wenn ich hier schreibe, dass dies der spektakulärste Sonnenuntergang unserer gesamten Nordeuropa-Reise war.

Eigentlich ist man nicht richtig in Schweden gewesen wenn man nicht in einem Kayak gesessen hat. Nun haben wir ja bisher nicht wirklich die besten Erfahrungen mit Bootsausflügen gemacht und als wir in Leksand das wacklige Zweierkayak besteigen packt mich das schlechte Gewissen... Hatte ich nicht Milo und Chewie nach unserem beinahe-Boots-Unglück auf dem Walensee versprochen, sie müssten nie wieder ein Boot besteigen? Zählt ein Kayak überhaupt als Boot? Bin ich ein Raben-Frauchen? Diese und weitere Fragen schwirren mir im Kopf herum und noch bevor ich den Gedankengang beenden kann, sitzt Chewie im Kayak und schaut mich aus grossen Augen unter seiner Schwimmweste an. Für mich ein Zeichen, dass er doch mit will. Das Wetter lässt Böses erahnen, graue und schwarze Wolken hängen am Himmel über dem Fluss und Milo ist nicht sicher ob er wirklich mit will. Nervös paddeln wir los und es dauert keine 10 Minuten, haben wir unser Tempo gefunden und Milo und Chewie haben sich bereits auf unserem Schoss eingekuschelt und fühlen sich sichtlich wohl. Erik, der zuvorkommende Schwede vom Kayakverleih, schiesst noch ein Bild von uns und unseren Hunden, viele verrückte Hundehalter wie uns hat er wohl noch nicht gesehen.

Die Fahrt über den ruhigen Fluss verläuft reibungslos, nichts wackelt, kein Regen, kein Flussverkehr, alles klappt wie am Schnürchen! Die Hunde sind mittlerweile eingeschlafen und geniessen die Fahrt! Wir paddeln vorbei an Seerosen, Treibhölzern, Enten und Eichhörnchen, die sich in den Böschungen jagen, Elche finden wir auch hier nicht (naja, es ist ja auch nicht Elchzeit, nachmittags um 14:00). Es gelingt uns sogar ein paar Drohnenaufnahmen zu machen und auch ich wage mich nochmals an die Fernbedienung, so langsam hab ich den Dreh raus und die Drohne landet wieder sicher in Kevins Hand.


Der Rückweg zieht sich dann doch noch ziemlich und wir sind froh, uns beim Paddeln abwechseln zu können. Ich glaube Nico und Simi bereuen mittlerweilen ein klein wenig, jeweils ein Einzelkayak genommen zu haben. Schliesslich schaffen wir es ohne grössere Zwischenfälle (Ok, Simi ist beim Einstieg kurz ins Wasser gefallen, aber immerhin keine Verletzungen!) zurück an unseren Steg. Definitiv unsere beste Böötlierfahrung bisher und trotz meinem gebrochenen Versprechen habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, denn beide Hunde haben den Ausflug sichtlich genossen! Erschöpft schleppen wir die Kayaks ans Ufer und warten auf Erik. Als dieser unseren Hektor und den Defi sieht ist er hin und weg und möchte alles sehen und alles wissen über unsere Fahrzeuge. Besonders Hektor scheint es ihm angetan zu haben, er knippst gefühlt 1000 Fotos von jeder noch so kleinen Ecke und Kevin muss ihn davon abhalten, auch noch unser Klo zu öffnen und davon ein Bild zu schiessen. Er fragt uns tausend Fragen und ist total begeistert von unserer Reise und wir merken ihm an, auch für ihn wäre dies ein Traum. Natürlich quetschen auch wir ihn ein wenig aus, wo man am besten Elche sehen kann. Er gibt uns ein paar Tipps und erzählt uns von einem kleinen Fluss in der Nähe, wo man unter Garantie Biber sehen kann! Natürlich müssen wir dahin, für heute ist es jedoch schon zu spät.

Wir verabschieden uns von ihm und kehren in einer kleinen Dorfbeiz zum Znacht ein. Schliesslich wollen wir in einen nahegelgenen Wald auf einem Hügel. Eine Tafel warnt uns vor der massiven Steigung, 17% und ich bin froh, dass Kevin fährt, ich hätte mich niemals hier rauf getraut! Ob Hektor uns auch diese Tortur verzeiht? Er kämpft und hat es schliesslich geschafft! Nach kurzer Suche finden wir wieder ein Plätzli an einem See, wo wir ganz alleine sind. Es wachsen Pilze in allen Varianten und endlich können unsere Hunde wiedermal frei den Wald erkunden.

Während wir im gemütlichen Hektor ein Tichu spielen beobachten wir plötzlich einen sehr speziellen Mann mit Warnweste, der sich an den Mülleimern neben einer Schutzhütte zu schaffen macht. Woher der Mann auf einmal kommt, hier, mitten im Nirgendwo, wissen wir nicht, etwas unheimlich ist uns jedoch schon zu Mute, denn so fangen bekanntlich alle Horrorfilme an. Der Mann zieht nach kurzer Zeit weiter und die Nacht verläuft zum Glück ruhig.

Am nächsten Tag brechen wir bereits früh zur Bibersafari auf. Obwohl wir uns komplett still verhalten entdecken wir leider keines der scheuen Tiere. Wir teilen uns daher auf und machen uns getrennt auf die Suche. Auf einmal entdecke ich eine aufgewühlte Stelle im ansonsten spiegelglatten Fluss und tatsächlich, ein Biber taucht auf! Etwa dreimal taucht er auf und wieder ab, für meine Kamera ist er aber leider zu schnell. Die anderen hatten leider kein Glück aber ich bin happy, tatsächlich so ein herziges Tierli gesehen zu haben. Wohl überflüssig zu erwähnen, dass wir auch an diesem Tag keine Elche angetroffen haben. So langsam schwindet unsere Hoffnung dahin...

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